Ein Plädoyer für das Jahresgespräch

Gastbeitrag von Constanze Eich

Jahresgespräche haben auch in der Kanzleienwelt längst Einzug gehalten. Was allerdings als wertvolles Management Tool gepriesen und von HR-Abteilungen meist aufwändig installiert wurde, verkommt in den meisten Fällen zum Selbstzweck. Mühsam werden Fragebögen ausgefüllt und abgearbeitet. Es wird Feedback in alle Richtungen gegeben. Der Mitarbeiter soll schließlich wahr- und ernstgenommen werden. Gerade die feedbackhungrige Generation Y fordert von ihren Vorgesetzten immer mehr Rückmeldung ein und wird damit zu einem regelrechten ‚enfant terrible’ in der Arbeitswelt. Denn Feedback kostet Zeit. Und Zeit ist rar. Schließlich steht der Mandant ja im Mittelpunkt des Interesses. Wer um sich selbst kreist, arbeitet nicht profitabel.

Jahresgespräche – Mindestmaß an formalisierter Kommunikation

Um aber ein bisschen ‚Mitarbeiter-Management’ walten zu lassen und den Erwartungen der Berufseinsteiger gerecht zu werden, sind Jahresgespräche das Mindestmaß an formalisierter Kommunikation. Zudem soll das Jahresgespräch auch Dreh- und Angelpunkt für Gehaltsverhandlungen und Karriereentwicklung darstellen. Und so schlägt – zumindest in größeren Kanzleien – alle Jahre wieder bei Partnern und Führungskräften die Erinnerungsnachricht aus der HR-Abteilung auf, dass eben dieses Jahresgespräch wieder ansteht. Meist wird dann auf den letzten Drücker ein Termin vereinbart und die lästige Pflicht erfüllt. Dabei sind die von HR-Experten entwickelten Leitfäden für Jahresgespräche oft sehr gut durchdacht und ermöglichen, dass man die allgemeinen Leistungen des Mitarbeiters sinnvoll bewerten und neue Ziele vereinbaren kann. Für viele stellen diese auch das Herzstück für Karriereentwicklung, Gehaltserhöhungen und die Vergabe neuer Verantwortungsbereiche dar. Und auch der Mitarbeiter kann das Jahresgespräch dazu nutzen, eigene Ideen und persönliche Ziele zu formulieren.

Jahresgespräche – wertvolle Instrumente für die Kanzleientwicklung

Doch das Jahresgespräch kann noch viel mehr: Wer unternehmerisch denken und handeln möchte, hat mit dem Jahresgespräch ein wertvolles Instrument in der Hand, die Kanzlei voranzubringen und eigene Ziele umzusetzen. Denn die Anwaltspersönlichkeit ist längst nicht mehr nur edler Consigliere, sondern auch Unternehmer in eigener Sache – ob in der Großkanzlei oder in der kleineren Einheit. Und da könnten Jahresgespräche eine echte Schlüsselrolle spielen. Voraussetzung ist, dass der Unternehmeranwalt einen eigenen Plan hat, wohin er mit seiner Kanzlei, seiner Praxisgruppe, seinem Team genau hin möchte. Viel zu selten nimmt man sich im Alltag die Zeit den Kopf aus dem Tagesgeschäft zu strecken. Dabei ist es für beide Seiten wertvoll und gewinnbringend, sich genau diese Zeit zu nehmen. Im formalisierten Jahresgespräch kann man den Mitarbeiter mit der eigenen Strategie vertraut machen, ihn quasi als Multiplikator nutzen, seine Rolle bei der Umsetzung definieren und damit einhergehende Aufgaben und Verantwortlichkeiten ableiten. Auch den Vorschlägen des Mitarbeiters zur Umsetzung dieser Ziele Raum zu geben und sie gemeinsam zu diskutieren, verbindet Vorgesetzten und Mitarbeiter und führt dazu, dass dieser zum selbständigen Denken ermutigt wird und sich dadurch wesentlich stärker mit der eigenen Arbeit identifiziert. Das verpflichtet den Vorgesetzten dazu, sich wirklich über seine strategischen Ziele klarzuwerden und sich auch gründlich auf dieses Gespräch vorzubereiten. Es gilt den Mitarbeiter inhaltlich abzuholen, ihn aber auch für die strategischen Ziele zu begeistern. Die Ziele bezüglich der Kanzleientwicklung oder zur Entwicklung des eigenen Referats müssen zu gemeinsamen Zielen werden.

Kontinuierliche Umsetzung gefragt

Damit die strategischen Bemühungen aus dem Jahresgespräch wirklich greifen, muss kontinuierlich an der Umsetzung gearbeitet werden. Das setzt voraus, dass es unterjährig immer wieder Anknüpfungspunkte an das Jahresgespräch geben muss, um den Plan auf dem Schirm zu behalten. In regelmäßigen Abständen sollten die Vereinbarungen wieder in Erinnerung gerufen werden. Im besten Fall sind sie permanent präsent – sowohl bei der Führungskraft, als auch beim Mitarbeiter, auch wenn das mit einem erhöhten Kommunikations- und Zeitaufwand verbunden ist. Doch dieser Aufwand zahlt sich aus, denn so wird aus dem Anwalt nicht nur ein Unternehmer, sondern auch eine echte Führungspersönlichkeit.

Momente für sinnvolles Feedback im Alltag

Feedback entfaltet im übrigen auch erst dann seine ganze Kraft, wenn es nicht nur auf die wenigen Augenblicke im Jahresgespräch konzentriert und damit zum Valentinstag für Wertschätzung und Anerkennung wird. Momente für sinnvolles Feedback gibt es im Alltag genug. Sei es nach Beendigung eines Mandates, zur unmittelbaren Bewertung eines Arbeitsergebnisses oder auf Wunsch des Mitarbeiters. Je engmaschiger ein Mitarbeiter Rückmeldung zur Entwicklung seiner Fähigkeiten erfährt, desto schneller können Fortschritte erzielt und Kompetenzen erweitert werden. Im Jahresgespräch hingegen sollte das Feedback nicht nur auf die persönliche Entwicklung abstellen. Hier sollte unbedingt auch eine Rückmeldung im Hinblick auf die strategische Entwicklung der Kanzlei oder der Praxisgruppe erfolgen. Der Beitrag des Mitarbeiters zum Unternehmenserfolg, der im Gespräch sichtbar gemacht wird und die ausgesprochene Wertschätzung dafür, können somit zu wertvollen Motivationsquellen werden, die wesentlich nachhaltiger wirken, als so manche Gehaltserhöhung.

Constanze Eich ist Expertin für angewandte Rhetorik und strategische Kommunikation. Sie berät mittelständische sowie internationale Unternehmen, Wirtschaftskanzleien und Institutionen in ihrer internen wie externen Kommunikation. Bei C.H.BECK erschienen ist ihr Buch Networking und Akquise für Anwälte.

(Quelle: beck-shop.de)